Firmenspezifisch gestaltete Trainings stehen weiterhin unter Rechtfertigungsdruck.
Firmenspezifisch gestaltete vs. Standardtrainings - eine anhaltende Kontroverse!

So wird aktuell bezweifelt, dass solche firmenspezifischen, tailor-made Entwicklungen wirklichen Zusatznutzen gegenüber Standardangeboten bieten, die womöglich günstiger zu haben sind. Unter Kostengesichtspunkten werden – über die immer wieder neuen Entwicklungsaufwendungen hinaus – insbesondere Seminarräume, Hotelübernachtungen und An- und Abreisen sowie Trainerhonorare vorgebracht. Die Corona-Bedingungen hatten diesen Druck dramatisch verstärkt.
Gleichzeitig keimten Hoffnungen auf ein anderes Lernen. Eine verstärkte Modularisierung, gestützt auf unterschiedliche digitale Medien, würde eine weitergehende Autonomie und Selbstorganisation der Lernenden ermöglichen, eine Loslösung von starren Anwesenheiten und Abläufen. (Crossknowledge ist ein Beispiel hierzu, das unterschiedliche Lernpfade und eine Fülle von Elementen bietet.)
Standardisierte, statt firmenspezifisch gestaltete Wissensvermittlung als Hoffnung
Zumindest jedwede Wissensvermittlung ließe sich so medial aufbereiten und standardisieren, mithin von womöglich schwankender Trainerkompetenz entkoppeln. Gegenargumente sind aber gegeben! Dass Firmenspezifika einer Standardisierung leicht zum Opfer fallen ist wohl das gewichtigste.

Wenn es stimmt, dass eine Firmenkultur am schwierigsten zu imitieren und im günstigsten Fall ein großer Wettbewerbsvorteil sei, wird zunächst fraglich, ob die drastische Reduzierung firmenspezifisch ausgestalteter Veranstaltungen zweckmäßig sein kann. Firmenkulturen können erodieren oder aber sich allzusehr verfestigen, sodass Anpassungen an sich verändernde Rahmenbedingungen nicht mehr stattfinden. Beides, Stabilisierung und ‘unfreeze’, kann geleistet werden – ist aber etwas ganz anderes, höherwertiges als Wissensvermittlung.
Ebene 1: Artefakte
Sichtbare Verhaltensweisen: Erzeugnisse, Rituale, Mythen etc.
- Erzeugnisse wie das Firmenlogo oder formulierte Designgrundsätze stellen quasi explizites Wissen dar. Bereits solche müssten in Standardtrainings eingebaut werden, was eben jenen firmenspezifischen Anpassungsaufwand produzieren würde, den man eigentlich hatte vermeiden wollen. Firmenübergreifende (Soll-)Verhaltensweisen lassen sich natürlich sehr gut standardisiert vermitteln, also lehren und einüben. Aber schon ein neues Führen im New Normal ist ein eher komplexes und für die Firma spezifisches Konstrukt, das sich einem standardisierten Training wohl entzieht.
Ebene 2: Interne Werte, Management
Gefühle für das Richtige, Gemeinsame informelle Normen
- Gerade weil solche Werte eher implizit vorhanden sind – ausformulierte Soll-Werte und Firmenleitbilder ändern daran nichts – eignen sie sich nur begrenzt für die Vermittlung in Standardveranstaltungen.
Ebene 3: Tiefere kulturelle Prämissen
Grundannahmen: Beziehung zu Natur und anderen Menschen, Zeit- und Raumorientierung
- Dieser Wesenskern von Unternehmungen ist äußerst fest und überdauernd. Noch weniger als Werte ist er explizit, aber sehr wirkmächtig. Ihn zu festigen, womöglich behutsam weiter zu entwickeln, ist die Aufgabe von Menschen, durchaus von Hierarchen, aber nicht nur. Diese können natürlich auch in Standardtrainings auftreten, an einem Kaminabend beispielsweise. Wünschenswert ist aber auch die Durchdringung der gesamten Veranstaltung mit dem “Geist des Hauses”, wie sie eher eine firmenspezifisch gestaltete Veranstaltung sicherstellen kann.

Abbildung des Autors, frei nach Edgar H. Schein und Chad Renando