Dampflokomotiven aus München-Sendling: der Vortrag
Die Neuauflage des Vortrags in der Sendlinger Kunstschmiede zur Unternehmensstrategie für das Werk in Sendling und seine Dampfloks war wieder ein großer Erfolg. Standing Ovations jeden Abend – zu jedem Aussellungstermin fand sich eine Gruppe, die den Vortrag wieder hören wollte. Mir war’s recht, kannte ich doch meinen Text, einschließlich der Gags, die ankamen! Die Unternehmensstrategie konnte ich also heraus arbeiten und mit immer neuen Fakten belegen, auch zum Alltagsleben der Menschen.
Dies ist schließlich das LGB Modell einer typischen Lokomotive von Krauss aus Sendling: Bn2t, also zweiachsig, Naßdampf, 2 Zylinder, Tenderlok. Die fuhr mitunter während der Ausstellung, mit einem kurzen Zug und auch leicht lärmend, auf einem Oval sowohl links- als auch rechtsherum.
Zur Unternehmensstrategie für das Werk in Sendling gab es seitdem immer neue Zusammenhänge, Bilder und Fakten
Der Erfolg des Werkes hatte fünf Voraussetzungen: erstens die flexible Produktion, zweitens die hoch innovative Entwicklung und drittens den aktiven internationalen Vertrieb, weiter den eigenen Betrieb von Bahnen, schließlich die qualifizierte und treue Belegschaft.
Erstens: Die flexible Produktion ermöglicht die Vielfalt der Konstruktionen!
Die Unternehmensstrategie für das Werk in Sendling betraf also Kleinserein, Kleinstserien und Einzelstücke. Das war mithin “Losgröße 1”, bevor es den Begriff überhaupt gab!
Fast alle Verfahren waren vorhanden - Sendling folglich ein eigenständiges Werk!
In der Fabrik von Krauss in Sendling waren zudem alle Verfahren versammelt, als Teil der Unternehmensstrategie. Nämlich Gießen => Schmieden => Bearbeiten => Montage <=> Lackieren, wenn man obendrein die Gießerei Sugg “über die Straße” hinzuzählt. Nur eine Schraubendreherei gab es nicht – Schrauben kamen folglich vom Hauptwerk im Marsfeld! Und: über das Jahr 1930 hinaus verwendete Krauss weiterhin Whitworth Feingewinde, ausgenommen bei Aufträgen für Staatsbahen. Eine Liebhaberei?
Hierzu mein immer wieder gebrachter Witz: Wenn in Sendling akut Schrauben gebracht wurden, brachte ein Lehrbub zu Fuß eine Schachtel. Und ich musste das Wort nicht gendern – es gab wohl keine Lehrmädchen.
Zweitens: Innovative Entwicklungen, Patente und Sonderbauarten
Das „System Krauss“ war das erste Patent der jungen Firma, quasi des Start Ups. Folglich wurde es schon bei der ersten Lokomotive der Firma, der Landwührden, verwirklicht. Aber seitdem auch bei vielen Loks aus Sendling.
Auch extreme Abweichungen vom ``Normalen``
Schließlich baute Krauss – und das ist die eigene Unternehmensstrategie für Sendling – auch Dampfspeicherloks, zwei Kranlokomotiven, Zahnradloks, Akkulokomotiven und viele andere besondere Konstruktionen! Einige dieser Prototypen blieben aber auch Fehlschläge – Krauss & Cie. hatte jedoch wohl eine ausgeprägte failure culture – nicht zu übersetzen mit Fehlerkultur! Vielmehr mit einer Kultur der Bewältigung von Fehlschlägen. Krauss’ Entwicklung war sehr “agil”, bevor das Wort erfunden wurde.
Das Krauss-Helmholtz-Lenkgestell
Kurvengängigkeit als wiederkehendes Thema
Georg Krauss hatte persönlich ein Faible für das Thema Kurvenläufigkeit. Und das hat er auch seinen Leitern der Konstruktion, Helmholtz und Lotter, sehr wohl vererbt! Die hier gezeigte Lok mit Klose Lenkachsen wurde bei Krauss konstruiert (Fabr.Nr. 1075, Bauj. 1885) und ein Prototyp vielleicht sogar in Sendling gefertigt – einen Filmschnipsel verlinke ich hier gern!
Das Krauss-Helmholtz-Lenkgestell wurde schon bei der St.Zeno für die Bayerische Staatsbahn, Fabr.Nr. 2000, Baujahr 1888, eingesetzt und anschließend auch bei den Lokomotiven in Sendling verbaut. Helmholtz verband hierzu eine nicht angetriebene, „drehbare“ Laufachse über eine Deichsel mit der ersten Kuppelachse. So erzielte er einen Lauf ähnlich dem eines Drehgestells – der Verschleiß von Spurkränzen und Schienen wurde folglich reduziert und andererseits ein verbesserter Geradeauslauf erzielt.
Drittens: der internationale Vertrieb, besonders für die Loks aus Sendling
Während das Werk von Krauss im Marsfeld vor allem die Staatsbahnen, besonders in Deutschland, auch mit größeren Serien belieferte, war Sendling vielmehr für die ganze Welt zuständig. Schließlich betrugen die Auslandsaufträge 70% der Produktion (bis) vor dem Ersten Weltkrieg. Schon die Landwührden hatte 1867 auf der Pariser Weltausstellung die große goldene Medaille erhalten. Schon sehr früh (1881) hatte Krauss auch an dem Straßenbahn-Wettbewerb in Arnhem mit einer Sendlinger Straßenbahnlok teilgenommen, die am besten beurteilt wurde, immerhin gegenüber Loks von Merryweather, Hohenzollern, SLM.
Vertrieb mit Partnern
Immer wieder erzielte Krauss auf internationalen Ausstellungen Auszeichnungen, zum Beispiel in Wien, Amsterdam, Antwerpen und sogar Buenos Aires. Gerade auch Loks aus Sendling trugen dazu bei. Die Flexibilität bei Nachbestellungen und die Konstruktion der Loks und ihre Qualität sprachen obendrein für sich! Ferner bediente sich Krauss Internationaler Vertriebspartner, beispielsweise Arthur Koppel (310 Lokomotiven ab 1875), Weidknecht, Paris, und C. Rhode, Hamburg. Auch diese, die bis heute museal “kalt” im Einsatz ist:
Schließlich, viertens, ein besonderer bayerischer Bezug: Krauss finanzierte Bahnen
Als Teil der Unternehmensstrategie für das Werk in Sendling baute Krauss 1878 die Feldabahn in Thüringen als erste Meterspurstrecke in Deutschland und lieferte folgerichtig die C-Kuppler mit der Fabr.Nr. 782 und783. Im gleichen Jahr lieferte das Werk auch einen innovativen Dampfomnibus für die Strecke Berlin-Grünau, stellte einerseits die Fahrzeuge unentgeltlich und garantierte andererseits die Betriebskosten. Nun kommt’s: 1883 errichtete Krauss die Münchner Dampftrambahn nach Nymphenburg und auch die Wiener Dampftramway. Hinzu kamen in rascher Folge die AG Schaftlach – Gmund, weiter die Chiemseebahn und schließlich die Gründung Localbahn-Actiengesellschaft LAG mit Geldgebern aus Augsburg. Dort wurde zudem Georg Krauß Aufsichtsratsmitglied.
Fünftens: das qualifizierte Personal
Die Sozialleistungen bei Krauss waren jedenfalls auf dem Stand der Zeit, allerdings gab es an beiden Münchner Standorten keine Werkswohnungen. Krauss-Mitarbeiter gründeten währenddessen eine äußerst erfolgreiche Konsumgenossenschaft. Auf Zahlen aus den Geschäftsberichten gestützt zeige ich jedoch auch auf, dass die Zahl der Beschäftigten stark mit der Auftragslage schwankte. Trotzdem hat die Firma dagegen gehalten, etwa indem sie zwei Kranlokomotiven für den eigenen Gebrauch konstruierte und baute – als interne Arbeitsbeschaffung. 1922 konnte zudem die Belegschaft erstmals zwei Betriebsräte in den Aufsichtsrat entsenden, als recht frühen Einstieg in die Mitbestimmung.