Die Lehre von den Typen von C.G. Jung stellt eine erste Theorie im Sinne der Persönlichkeitspsychologie dar, außerhalb seiner ‘Schulen’ kaum mehr von Bedeutung. Andererseits fand diese Lehre immerhin im MBTI von Katherine Myers und Isabel Briggs Myers ihre Operationalisierung. Die Bestimmung von Präferenzen (nicht der Typen!) der Probanden finde ich noch immer für Coaching oder persönliche Beratungen relevant. Klar ist der MBTI aus Sicht der Faktoriellen Persönlichkeitspsychologie überholt. Schon die Objektivität ist nicht gegeben: sowohl Testleiter als auch Proband beeinflussen das Ergebnis. Andererseits kommt es so zu persönlichen Gesprächen, und solche will man ja in der persönlichen Beratung!
Entwicklung auf ein Modell hin - die Big Five!

MBTI: weiterhin bedeutsamer Vorläufer
Vom 16pf und NEO-PI zum IPIP


Im 16pf von Cattell werden zunächst Profile für zu besetzende Stellen oder andere Anforderungen erarbeitet. Die dann natürlich zentralen Persönlichkeitsprofile werden mit diesen verglichen. Faktorenstruktur, Reliabilität und die Validität des 16pf sind gegeben und immer wider bestätigt worden. Der Test NEO-PI und das Five-Factor-Model stellen quasi die nächste Stufe der Testentwicklung dar, die die Struktur des 16pf grundsätzlich bestätigt. Als neuere Entwicklung für die Faktorielle Persönlichkeitspsychologie sind schließlich auf der Grundlage der item-Sammlung IPIP immer kürzere Kompaktversionen von Tests entstanden, die sich indes auf die Fünf Faktoren beschränken und auf die Facetten verzichtetet haben. Der nicht ganz so kurze Test BFI-2 stellt eine praktikable Alternative dar!
Weitere Instrumente und Theorien
Der FPI: Einstieg in klinische Diagnostik
Das Freiburger Persönlichkeitsinventar fußt sicherlich auf den Big Five bzw. folgerichtig dem NEO-PI-R, aber andererseits auf den theoretischen Konzepten und Arbeitsgebieten der Autoren. Der Test umfasst 138 items, die leicht verständlich sind und außerdem keinen klinischen Jargon aufweisen. Die Konstruktion verweist auf die Faktorielle Persönlichkeitspsychologie; besonders hervor zu heben ist schließlich die für die allgemeine Bevölkerung repräsentative, immer wieder neue Normierung und sprachliche Überarbeitung.
Kritisch angemerkt wurde in der Literatur aber, dass die Autoren des FPI zunächst kein Gesamtkonzept der Persönlichkeit vermittelt haben und keinen expliziten Zusammenhang mit Big-Five-Inventaren und 16pf hergestellt haben.
Der FPI: Einstieg in klinische Diagnostik
Es folgten jedoch umfangreiche Studien zur Validierung und die sorgfältige Testpflege. Zusammenhänge mit bzw. Vorhersagen auf klinische Befunde sind umfangreich dokumentiert, auch von Autoren außerhalb des Kreises der Autoren, beispielsweise zu Essstörungen oder Asthma und weiter zu psychiatrisch-forensischen Themen.
Jenseits der Faktoriellen Persönlichkeitspsychologie
Differentielle und Persönlichkeitspsychologie braucht indessen nicht unbedingt die Faktorielle Psychologie. Weitere Modelle sind mittels anderer Empirie entstanden, nicht unbedingt nach den Kriterien der Faktoriellen Persönlichkeitspsychologie, aber auch nicht nur theoriegeleitet, sondern durchaus empirisch.
Abraham Maslow
legt eigentlich eine Motivationstheorie („Bedürfnisse“) vor; biografische Studien und Beobachtung “selbstverwirklichender” Personen (Einstein…) bilden aber seine (eher schwache) empirische Grundlage.
George A. Kelly:
Sein Repertory Grid als wesentlicher “Test“, aus dem Konstrukte ermittelt werden.
Carl Rogers:
Ursprünglich die Suche nach eindeutig definierbaren und messbaren Bedingungen für eine konstruktive Veränderung der Persönlichkeit. Später seine Aufzeichnungen und Analysen von Therapiesitzungen als Empirie.
Weitere Tests zur Persönlichkeitspsychologie
Der Clifton Strengthsfinder (R)
Der Clifton Strengthsfinder (R) ist in der Industrie weit verbreitet, obwohl er seitens der Wissenschaft eher kritisch gesehen wird. Unklar bleibt zunächst, ob die Strengths Fähigkeits-, Motivations- oder Persönlichkeitsdimensionen sind. Weiterhin handelt es sich um ein ipsatives Verfahren, das also auf Normierung verzichtet. Ich sehe das Verfahren also auch kritisch – was nicht hindert, dass es mir weitere Einsichten über mich vermittelt hat. Als Selbsttest würde ich es sogar empfehlen. Aber keinesfalls als Eignungstest, und nicht einmal im Kontext von Seminaren.

Nicht ganz ernst zu nehmen: Schusseligkeit
Mein Seminar ``Differentielle und Persönlichkeitspsychologie``
Ich stehe gerade vor der Neuauflage meines Lehrauftrages (zu einem Seminar mit virtuellen Teilen und Präsenzblöcken) an der Charlotte-Fresenius-Universität in Wiesbaden. Ziel im Seminar ist für mich weniger der Aufbau von Wissen. Vielmehr geht es mir zuerst um das Bewusstsein, dass auch weit verbreitete Verfahren oft nicht wirklich die klassischen Standards erfüllen, also sehr eingeschränkt angewandt werden sollten – bis zu absoluten NoGo’s! Mein Thema ist also, zunächst die Entwicklung von Persönlichkeitsmodellen durch Explorative Faktorenanalysen nachzuvollziehen, zweitens die folgende Testkonstruktion. Durchführungen von Tests bis hin zur Auswertung von Ergebnissen durch die Studentinnen und Studenten dienen schließlich im Seminar als Veranschaulichung und Aktivierung.