Mögliche Erkenntnisse zu Führung und Produktion bei Krauss
Aktuelle Themen zur Produktion und für die Fertigung gerechten Konstruktion finden in diesem Werk der Firma Krauss womöglich Vorläufer. Ich finde Hinwiese: vielleicht aber auch zu Lieferketten. Ich fürchte, das wird sehr schwierig zu ergründen sein; welche Themen zur Führung des Personals berührt werden, erst recht. Packen wir’s an!

Krauss & Comp. war die richtige Schreibweise des Firmennamens, der Gründer hieß aber Georg Krauß – warum in zeitgenössischen Karten immer mal wieder Kraus geschrieben wurde, weiß ich auch nicht. Der Betrieb wurde 1872 zur Entlastung des Stammwerkes auf dem Münchner Marsfeld errichtet. Ich will mich hier auf das Werk Sendling konzentrieren. Mir geht es also nicht um die Geschichte von Krauss-Maffei und nicht einmal um die Werke von Krauss auf dem Marsfeld oder in Linz.
Das Krauss Werk in Sendling
Das Werk spezialisierte sich auf Schmalspur- und zu Anfang wohl auch noch Dampfstraßenbahnloks. Und hier das Update: Dank der Lieferliste in Bernhard Schmeiser: Krauss-Lokomotiven, Wien: Slezak 1977 fällt es mir leicht, einzelne Lokomotiven den Werken Marsfeld, Sendling und Linz zu zuordnen.
Der Großteil der sendlinger Loks ist Bauart Bn2t, also kleine Zweiachser, Naßdampf, zwei Zylinder, Tenderloks. Auch die Lok der Chiemsee Bahn rechts ist solch eine Type. Praktisch alle Aufträge betrafen Einzelstücke von sehr verschiedenen Kunden, durchaus auch internationale. Größere Aufträge, beispielsweise von der Bayrischen Staatsbahn, gingen ins Marsfeld. Ich bin gespannt, wie man in dem Werk in Sendling diese Variation hin bekommen hat…
Mit dem Areal über die Straße verbunden war die Firma Sugg, eine Gießerei, die zunächst als Zulieferer tätig war und 1920 ganz übernommen wurde. Von wegen Lieferketten…
Ich plane (und recherchiere schon mal) einen Vortrag über die Geschichte dieser Lokfabrik. Ich bin von der Sendlinger Kulturschmiede dazu für den Herbst 2023 eingeladen worden. Das Publikum meines Vortrags ist wohl eher auf das Werk und seine Kultur- und Sozialgeschichte gespannt als an den technischen Merkmalen einzelner Lokomotiven oder -gattungen oder betrieblichen Abläufen interessiert – es geht zunächst wohl um Lokalkolorit.
Keine Spuren zu finden
Vor Ort habe ich keine Überbleibsel finden können – keine Gebäude oder Fundamente, keine Reste von Gleisen oder auch nur Schotter. In den Werkhallen hatte sich später die Milchverwertungsgesellschaft bayrischer Landwirte angesiedelt, die 1951 einen Neubau errichtete. Letzterem wird wiederum ein Gleisanschluss nachgesagt – ob das der alte ist, entzieht sich auch meiner Kenntnis. Auf dem Grundstück steht heute eine Schule.
Quellenlage nicht so einfach
Die Geschichte von Krauss & Co. und erst recht von Krauss-Maffei ist in der Literatur sehr gut dokumentiert. Allerdings stehen dabei die Produkte, vor allem die Loks im Vordergrund. Ich bin aber gern bereit, mich tiefer in Quellen ein zu arbeiten, über diese Bücher hinaus. Das kann aber dauern – ich werde den Vortrag erst im Spätsommer 2023 halten. Ich möchte aber die für diese Website wichtigen Erkenntnisse zur Führung der Fabrik schon vorher hier kund tun. Warten wir’s ab!

Krauss & Comp. als Innovator
Die Firma war ein erfolgreicher Innovator. Die Innovationen des Unternehmens haben sich durchgesetzt und wurden von Wettbewerbern nachgebaut. Daher war das Unternehmen bei Lokomotiven für diverse Industrien, ein hidden champion und übernahm schließlich das Geschäft seines lokalen, an sich größeren Konkurrenten Maffei. Insofern möchte ich hier im folgenden drei Kriterien für solche Innovatoren auf das Unternehmen anwenden:
Wahrnehmbarer USP
Zwei Patente möchte ich herausheben: das System Krauss und das Krauss-Helmholtz-Lenkgestell. Beide dürften zwar vom Konsumenten, also dem Fahrgast, kaum bemerkt worden sein, wohl aber vom Betreiber der Strecken!
Das System Krauss
Das System Krauss bestand darin, den Wasservorrat der Dampfloks nach unten, quasi in das Fahrgestell hinein zu verlegen, zwecks tiefem Schwerpunkt. Georg Krauss hatte das “System” in seiner Zeit als Maschinenmeister bei der schweizer Nordost Bahn entwickelt und setzte es auch beim ersten Modell seiner eigenen Firma um, der Landwührden:

Krauss-Helmhotz-Gestell
Dieses Lenkgestell wurde erstmals 1888 in eine Tenderlok eingebaut. Konstrukteur Helmholtz beabsichtigte, die Abnutzung von Rädern und Schienen in Kurven – durch mehrachsige Loks mit großen festen Radständen – zu verringern. Eine Laufachse mit kleinerem Raddurchmesser drückt über einen ihrerseits verschiebbaren Drehpunkt die erste Treibachse nach außen, sodass dieser Drehzapfen das Fahrwerk in die Kurve hinein zieht.
Das Bezahlmodell
Krauss finanzierte die Münchner Dampftramway und baute die Loks in Sendling:

Dampftramways
Die Firma war etwas später in den Markt für Lokomotiven eingetreten als der stolze, etablierte Konkurrent Maffei in München. So bediente er zunächst die Nachfrage nach Loks für Neben- und besonders Schmalspurbahnen und auch nach Dampfstraßenbahnen. Und deren Betreiber waren vielleicht etwas klamm. Die Firma Krauss bot folglich bald ein besonderes “Bezahlmodell” an: Krauss & Comp. trat selbst als Bauherr und Betreiber auf! Auch in Wien, und die ersten fünf Tramway Loks kamen sogar aus Sendling; weitere natürlich aus Linz. Immerhin verkaufte Krauss dreihundert solcher Loks, in Europa und der Welt.
Nebenbahnen und LAG
1878 trat die Firma als Generalunternehmer beim Bau der Feldabahn in Thüringen auf; ähnliche Engagements folgten. Die LAG (Lokalbahn AG), eng an Krauss & Comp. angebunden, baute denn auch zehn normal- und schmalspurige Bahnen in Deutschland.
Interne Abläufe
Ich habe hierzu bislang wenig gefunden.
Skalierbarkeit
Zu vermuten bleibt aber, dass besonders das Werk Sendling eine zu der Zeit ganz besondere Mischung aus Standardisierung und Variabilität, hinbekommen hat. Das Gros der Lieferungen betraf Zweiachser, Tenderloks einfacher Bauart. Losgröße 1 war hier nicht ein Ziel, sondern Voraussetzung! Die Loks verteilten sich dann noch auf eine Unzahl von Spurweiten und wiesen besondere Merkmale auf. Fast zu Ende des Standorts Sendling baute die Firma dort zwei Kranloks! Wie genau das Werk diese Skalierbarkeit sicher gestellt hat, bleibt noch zu erforschen!
Externe Zulieferer
Zunächst bezog das Werk Sendling Gussteile von der externen Firma Sugg, in der Nachbarschaft gelegen und über ein Gleis direkt in die interne Logistik eingebunden. direct to line kommt mir da in den Sinn.
Literatur zu Krauss & Comp.
Karl Schmidt, KraussMaffei, 150 Jahre Fortschritt durch Technik, München: Krauss-Maffei 1988
Der Arbeitgeber, die Belegschaft
Die Geschichte von Krauss und des Werks Sendling erscheint wie ein genauer Blick auf Sozialgeschichte und Arbeiterbewegung in Deutschland allgemein. Es gab die üblichen Kämpfe; Zunächst ging es überhaupt um einen Tarif. Der Konflikt ging um die 48-Stunden-Woche, um höhere Löhne, aber auch um die Betriebsverfassung. Die Betriebsräte forderten immer wieder weit gehende Befugnisse, mussten dann aber deren Rücknahme hin nehmen. Sie erzielten aber einen Kompromiss, der heutigen Errungenschaften zumindest ähnelt. In einem Dokument aus 1919 taucht schon der Begriff Mitbestimmung auf!
Insgesamt scheint das konjunkturelle Auf und Ab einem eher kurzen Zyklus gefolgt zu sein, was sich in raschem Aufbau von Mitarbeitern ebenso zeigte wie in Massenentlassungen.
Krauss baute keine Werkswohnungen. Das wird mit der Nähe beider Werke zu Hauptbahnhof und Südbahnhof begründet – ich erkenne aber auch eine große Nähe zu den genossenschaftlichen Wohnungen in Neuhausen, die womöglich eine Alternative darstellten. Gesundheitskassen und ähnliche Einrichtungen folgten, aber in Sendling keine Kantine. Aber zwei Brauereien gab es in ummittelbarer Nachbarschaft…